Month: July 2012

Gedanken zum Denken…

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Manchmal habe ich das Gefuehl, dass ich als angehender Oekonom irgendwie nur voll langweilige Forschung machen kann und nicht so tolles Spielzeug in die Hand gedrueckt bekomme wie zum Beispiel die ollen Physiker im CERN. Auf der anderen Seite, es gibt eine Menge Forschung die mir trotz coolem Equipment schlicht zu frustrierend waere da es sich um wahre Sisyphosarbeit handelt.

Ein Beispiel dieser Forschung, die ansonsten extreeeem interessant ist, findet man bei den Neurowissenschaften. Diese Jungs und Maedels versuchen unser Gehirn zu verstehen und das ist gar nicht mal so einfach. Trotz ihrer langen Geschichte verstehen wir bis heute nur sehr wenig ueber die Matsche da in unserem Kopf, vor allem im Bezug auf die Bildung unseres selbst. Bekanntlich heisst es ja, dass unser menschliches Gehirn das komplexeste Gebilde ist was wir im Universum so kennen. Das klingt zunaechst einmal toll, bringt einen aber nicht wirklich weiter. Um zu verdeutlichen was das bedeutet und gleichzeitig darauf hinzuweisen wieso die Neurowissenschaften trotz ihrer langen Geschichte bisher noch quasi am Anfang stehen gibt es doch nix besseres als ein paar Zahlen und Bilder zu praesentieren.

Zunaechst einmal, wenn wir von unserem Gehirn sprechen, so reden wir von einem Netzwerk von Neuronen und anderen Zellen. Das wird meistens so dargestellt:

 

Figure 1: (Illustration of neural synapses passing chemical messages, 2012)

Leider ist diese Darstellung nicht so ganz korrekt, denn in Wirklichkeit sieht ein Querschnitt der Hirnzellen eher wie folgt aus:

 

Figure 2: Neuronenwuerfel in der Groesse von 20 Nanometern (Mikula, 2012)

Bei sowas muss man erst einmal durchsteigen. Durchsteigen bedeutet hierbei jedes einzelne Neuron zu identifizieren und die Verbindungen, Synapsen, zu anderen zu zaehlen. So etwas wurde bereits einmal erfolgreich von White, Southgate, Thomson und Brenner (1986) an Caenorhabditis elegans durchgefuehrt, einem Wurm. White et al. (1986) haben sich das Hirn dieses armen Wurms geschnappt und in ganz kleine hauchfeine Scheibchen geschnippelt und unter einem Elektronenmikroskop geschaut wo welches Neuron in der darunterliegenden Schicht genau sitzt und mit wem es verbunden ist. Danach haben sie die Ergebnisse in einem Diagramm aufgezeichnet, was wie folgt aussieht:

Figure 3: C. elegans connectome (Seung, 2011)

Nun, die Frage ist, was die fleissigen Neurowissenschaftler daran hindert das gleiche mit unserem Hirn zu machen? Die Antwort ist die schiere Groesse! C. elegans ist wie gesagt ein Wurm, dessen Hirn aus gut 302 Neuronen besteht und irgendwas zwischen 7.000 und 9.000 Synapsen hat. White et al. (1986) haben fuer ihre Arbeit ganze 14 Jahre benoetigt und 340 Seiten in einem Fachjournal veranschlagt (Dönges, 2011). Dem Gegenueber steht nun das menschliche Gehirn, das schaetzungsweise zwischen 100 Milliarden und einer Billionen Neuronen mit irgendwas zwischen 100.000 und 200.000 Synapsen pro Neuron besitzt. So genau weiss man das auch nicht.

Trotz verbesserter Computerhilfe erscheint das Projekt menschliches Hirn nach wie vor wie die groesste Sisyphosarbeit in der Geschichte der Menschheit, ja es ist die Mutter der Sisyphosarbeiten. Dabei geht es hierbei nur um die Erstellung eines Schaltplandiagramms, von daraus resultierenden Funktionsweise wollen wir erst gar nicht anfangen. Trotzdem gibt es einige Projekte wie das Blue Brain Project (Blue brain project, 2005) oder das Human Connectome Project (Human connectome project, 2009). Forscher wie Jeff Lichtman oder Sebastian Seung arbeiten derzeit an Mausgehirnen, allerdings wuerde die heutige Speicherkapazitaet von Servern an einem Diagramm wie von White et al. (1986) bei einer Maus scheitern. Es bedarf mehr Speicherkapazitaet als die Server von Google derzeit stemmen koennen (Dönges, 2011).

Wie wir sehen bedarf die Arbeit an einem Wurm enorm viel Zeit und Aufwand, bei der Maus sieht es schon um einiges schlimmer aus und vom Menschen brauchen wir erst gar nicht anzufangen… obwohl eigentlich schon! Ich brauch damit nicht anfangen, weil ich mich mit weitaus weniger komplexen Systemen rumschlagen darf. Die Neurowissenschaftler haben also einen haufen Arbeit vor sich und so als Laie behaupte ich mal, dass ich die Entschluesselung unseres Gehirns wohl nicht mehr erleben werde. Ein Eintrag, den ich gern zu meinem anderen Blogbeitrag ueber die Entdeckungen in meiner bisherigen Lebenszeit hinzugefuegt haette. Aber es gibt bestimmt noch ein paar andere coole Sachen die so auf mich zukommen. Waren wir immer noch nicht auf dem Mars?

 

Quellen:

Blue brain project. (2005). Retrieved July 25., 2012, from http://bluebrain.epfl.ch/

Dönges, J. (2011). Der schaltplan der denkmaschine. Retrieved July 25., 2012, from http://www.spektrumdirekt.de/artikel/1066187&_z=859070

Human connectome project. (2009). Retrieved July 25., 2012, from http://www.humanconnectomeproject.org/

Illustration of neural synapses passing chemical messages. (2012). Retrieved July 25., 2012, from http://www.whatisneuroplasticity.com/terms.php

Mikula, S. (2012). Connectome. Retrieved July 25., 2012, from http://connectomes.org/index.php?p=connectome

Seung, S. (2011). The c. elegans connectome. Retrieved July 25., 2012, from http://connectomethebook.com/?portfolio=the-c-elegans-connectome

White, J. G., Southgate, E., Thomson, J. N., & Brenner, S. (1986). The structure of the nervous system of the nematode caenorhabditis elegans. Philosophical Transactions of the Royal Society B: Biological Sciences, 314(1165), 1-340.

 

 

Von Banken und Neon-Schildern…

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“Zwei Oekonomen, drei Meinungen” lautet ein beliebtes und kurzes Sprichwort, welches die Unterschiede zwischen den Denkschulen verdeutlicht, oder auch nicht =). Vor kurzem konnte die Internetgemeinde erfahren was wirklich passiert wenn Oekonomen im Meinungsaustausch aufeinander treffen. Denn im Gegensatz zum ueblichen Auseinandernehmen des jeweiligen neuesten Fachartikels der Gegenseite fand die Schlacht in der Blogsphaere statt, welches schon von Carney (2012) und dem Blog unlearningeconomics (2012) beobachet wurde. Angetreten waren auf der einen Seite Steve Keen, Professor fuer Volkswirtschaftslehre an der University of Western Sydney, seines Zeichens Postkeynesianer und Anhaenger von Hyman Minsky, und auf der anderen Seite Paul Krugman, Professor fuer Volkswirtschaftslehre an der Princeton University, Centenary Professor an der London School of Economics und selbstbezeichneder “free-market Keynsianer”.

Runde 1: Finanzkrise voll auf die Fresse

Begonnen hat der ganze Spass nachdem Steven Keen (2012a) fuer die INET Konferenz in Berlin ein Essay ueber die Instabilitaet von Finanzmaerkten geschrieben hat. Dabei bezog er sich als Fan ganz brav auf die Theorie instabiler Maerkte die Hyman Minsky bereits in den 1950ern und 1960ern entwickelte (Minsky, 1992). In dieser beschreibt Minsky, wie gerade Finanzmaerkte aufgrund des Akteursverhalten instabil werden obwohl sie als stabil erscheinen (Keen, 2012a). Die Grundidee dabei ist, dass in unsicheren Zeiten Investitionsverhalten von Unternehmen und Banken sehr konservativ ist aber mit steigender Zuversicht die Investitionen immer risikoreicher werden und ab einem gewissen Punkt nicht mehr durch den Cash-Flow gedeckt werden (Keen, 2012b; Schnyder, 2002). Dies geht soweit, dass irgendwann Investitionen nach dem Ponzi-Schema getaetigt werden. Eine der Hauptaussagen dieser Theorie ist, dass Geld endogen, von innen heraus, erzeugt wird, d.h. Banken koennen die Geldmenge durch die Vergabe von Krediten erhoehen. Durchaus ein bekanntes Argument welches in zumeist un- oder schlecht begruendeten Polemiken von Zeitungen und Politkern, und Internetforen, zu lesen ist.

Runde 2: Hast du eigentlich ne Ahnung wovon du redest?

Genau diese Behauptung hat nun Paul Krugman (2012b) auf dem Plan gerufen und er hat klar gestellt, dass die Geldmenge nicht endogen ist sondern nur exogen, also von aussen kommend, ueber die Zentralbanken erhoeht werden kann. Entsprechend der Geldtheorie behauptet er, dass Banken kein Geld verleihen koennen bevor sie nicht Guthaben haben, ein kleiner Exkurs dazu in einer Minute (Krugman, 2012a). Zunaechst einmal meldete sich daraufhin Steve Keen (2012a) erneut zu Wort und erklaert wiederum, dass Krguman sich irrt und erzaehlt mit einigen Literaturverweisen dass Banken durch buchhalterische Tricks Geld verleihen koennen und gleichzeitig Guthaben verbuchen koennen und daher nicht erst darauf warten muessen bis jemand Geld auf seinem Konto parkt. Dazu gleich auch noch mehr. Dabei begin Keen Krugman sogar als Neoklassiker zu beschimpfen. Das interessante an der Debatte in diesem Moment ist, dass beide irgendwie Recht haben.

Runde 3: Woher kommt denn nun das Geld?

Es heisst ja bekanntlich, dass wenn zwei sich streiten der dritte sich freut. Nun zumindestens lockt das Aas weitere Geier an und so meldete sich Nick Rowe (2012) auch noch mal fix zu Wort und hierbei wird es erleuchtend. Rowe nimmt generell die Position Krugmans und der Geldtheorie ein, zeigt aber gleichzeitig Verstaendnis fuer Keen’s Arugmente. Aber zunaechst der versprochene Exkurs in Geldtheorie, im speziellen zur Geldpolitik. Grundlegend gibt es zwei Moeglichkeiten der Geldschoepfung, also der Vermehrung des Geldes, im Bankensystem. Zum einem das hart erarbeitete Geld der Kunden in Form ihrer Guthaben und zum anderen die Erfuellung der gesetzlichen Mindestreserve durch Kreditaufnahme bei der Zentralbank.  Das ist der Teil der Geldpolitik, denn die Zentralbank hat so politischen Einfluss auf den Markt. Krugman hebt hier die Bedeutung von letzterem hervor, also die Moeglichkeit der Zentralbanken z.B. durch Leitzinsen, also der Zinssatz der die Hausbank fuer die Aufnahme der Mindestreserve zahlen muss, als Steuerungsmethode die Geldmenge zu steuern. Das entsprechende Modell zum Geldmarkt sieht wie folgt aus:

 

In diesem Diagramm, welches ich selbst gemalt habe, steht MS fuer money supply, also die durch die Zentralbank angebotende Geldmenge, und MD fuer money demand, also die von allen anderen auf dem Geldmarkt nachgefragte Geldmenge. Der Grund warum MD fallend ist liegt schlicht in der Erkenntnis, dass je teurer das Geld, also je hoeher der Zinssatz, desto weniger Geld wird nachgefragt. Die Zentralbank kann nun die Geldschoepfung steuern indem sie entweder die Geldmenge oder den Zinssatz aendert, was zu einer Verschiebung von MS oder MD fuehrt. Verringert sie bspw. die Geldmenge so verschiebt sich MS nach links, die Zinsen steigen und so weiter.

In diesem Teil stimmt Rowe Krugman also zu, allerdings gibt er auch zu dass Hausbanken selbst in der Lage sind Geld zu schoepfen. Krugman hingegen beisst sich an der Zentralbanksache etwas fest.

Runde 4: Krugman wankt dank Neon-Schildern

Unbeeindruckt von allem besteht Krugman auf seiner Position zur Zentralbank, welche ja von keinem irgendwie angezweifelt wurde, und zitiert ein Paper welches bloederweise seinen Standpunkt untergraebt (Krugman, 2012f).

Inzwischen betritt auch Scott Fullwiler (2012), ein Denkschulengenosse Keen’s, den Ring und gibt Krugman eine Breitseite mit einem aus einem seiner eigenen Lehrbuecher entnommenen Neon-Schild auf dem steht “ICH HABE KEINE AHNUNG WOVON ICH REDE”. Hier erklaert er schlicht anhand von guter alter Buchhaltung, wie der Geldmarkt wirklich funktioniert, z.B. anhand diesem Bild:

 

Figure 1: Bank A erzeut einen Kredit fuer einen Kunden der gleichzeitig das Geld abbucht (Fullwiler, 2012, p. n.g.)

Daran erkennt man am Ende auch, dass die Bank den Kredit mit einem anderen Kredit deckt und diese muss nicht zwingend ueber die Mindestreserve bedient sondern kann von einer anderen Bank erhalten werden.

Runde 5: Wasn nun los?

Was folgt ist eine selbsterfuellende Prophezeiung, oder in diesem Fall selbsterfuellendes Sprichwort, in Reinkultur. Krugman (2012e) erkennt erst einmal an, dass Banken selbst endogen Geld schoepfen kann. Dann stellt er aber, und richtigerweise, fest dass sie es eben nicht unendlich machen koennen, was jedoch nie Gegenstand der Debatte von Seiten Keens oder Fullwiler war. Hier hat Krugman schlicht einen klassischen Strohmann aufgebaut (unlearningeconomics, 2012). Genau 3 Stunden und 22 Minuten spaeter kommt Krugman (2012d) und erklaert, dass alleinig die Zentralbanken Geld schoepfen koennen und widerspricht damit seinen eigenen Aussagen und Kritiken ueber den Monetarismus (Krugman, 2007). Soviel zum Thema zwei Oekonomen und drei Meinungen, hier haben wir schon mal einen mit zwei Meinungen.

Runde 6: Steht er noch mal auf oder bleibt er liegen?

In der Zwischenzeit hat sich auch Steve Keen (2012c) noch einmal zu Wort und beschreibt Krugman buchstaeblich als Idioten, da er seinen Fall voellig gegen die Empirie argumentiert:

“How on earth can someone believe that the manifest reality that transactions involve money being exchanged for goods can be ignored, and pretend instead that goods are exchanged for goods? How on earth can the institutional reality of banks be ignored by those who claim to be macroeconomists” (Keen, 2012c, p. n.g.).

Was folgt ist ein kurzes Aufbaeumen von Krugman (2012c) indem er seinen Rueckzug aus der Konservation ankuendigt und wiederum Keen vorwirft nix aber auch gar nix verstanden zu haben. Seine saemtlichen Modellimplikationen seien falsch. Zu guter letzt beweist Keen (2012b) noch etwas Humor in dem er fragt was er und Keynes gemeinsam haetten… beide haette Krugman nicht verstanden. Und er hat offensichtlich Recht, Krugman hat den Punkt nicht verstanden.

Quellen:

Carney, J. (2012). Paul Krugman vs. MMT: The great debate. Retrieved July 14, 2012, from http://www.cnbc.com/id/46944145

Fullwiler, S. (2012, July 14). Scott Fullwiler: Krugman’s flashing neon sign Retrieved from http://www.nakedcapitalism.com/2012/04/scott-fullwiler-krugmans-flashing-neon-sign.html

Keen, S. (2012a. Instability in financial markets: Sources and remedies. presented at the meeting of the INET Conference, Berlin, Germany. Retrieved from http://ineteconomics.org/sites/inet.civicactions.net/files/keen-steve-berlin-paper.pdf

Keen, S. (2012a, July 14). Krugman on (or maybe off) Keen. Retrieved from http://www.debtdeflation.com/blogs/2012/03/29/krugman-on-or-maybe-off-keen/

Keen, S. (2012b, July 14). Oh My, Paul Krugman. Retrieved from http://www.debtdeflation.com/blogs/2012/04/03/oh-my-paul-krugman/

Keen, S. (2012b, July 14). A prime on Minsky. Retrieved from http://www.economonitor.com/blog/2012/03/a-primer-on-minsky/

Keen, S. (2012c, July 14). Ptolemaic economics in the age of einstein. Retrieved from http://www.debtdeflation.com/blogs/2012/04/02/ptolemaic-economics-in-the-age-of-einstein/

Krugman, P. (2007, July 14). Who was Milton Friedman? Retrieved from http://www.nybooks.com/articles/archives/2007/feb/15/who-was-milton-friedman/

Krugman, P. (2012a, July 14). Banking mysticism, continued. Retrieved from http://krugman.blogs.nytimes.com/2012/03/30/banking-mysticism-continued/

Krugman, P. (2012b, July 14). Minsky and methodology (wonkish). Retrieved from http://krugman.blogs.nytimes.com/2012/03/27/minksy-and-methodology-wonkish/

Krugman, P. (2012c, July 14). Oh my, Steve Keen edition. Retrieved from http://krugman.blogs.nytimes.com/2012/04/02/oh-my-steve-keen-edition/

Krugman, P. (2012d, July 14). A teachable money moment. Retrieved from http://krugman.blogs.nytimes.com/2012/04/02/a-teachable-money-moment/

Krugman, P. (2012e, July 14). Things i should not be wasting time on. Retrieved from http://krugman.blogs.nytimes.com/2012/04/02/things-i-should-not-be-wasting-time-on/

Krugman, P. (2012f, July 14). Tobin-Brainard 1963. Retrieved from http://krugman.blogs.nytimes.com/2012/04/01/tobin-brainard-1963/?smid=tw-NytimesKrugman&seid=auto

Minsky, H. (1992). The financial instability hypothesis. Prepared for Handbook of Radical Political Economy by Philip Arestis, Malcolm Sawyer, Edward Elgar.  Retrieved from http://www.levyinstitute.org/pubs/wp74.pdf

Rowe, N. (2012, July 14). Banking “mysticism” and the hot potato.

Schnyder, M. (2002). Die hypothese finanzieller instabilität von Hyman P. Minsky: Ein versuch der theoretischen abgrenzung und erweiterung. Universität Freiburg, Freiburg, Schweiz.

unlearningeconomics. (2012, July 14). The Keen/Krugman debate: A summary. Retrieved from http://unlearningeconomics.wordpress.com/2012/04/03/the-keenkrugman-debate-a-summary/

Wissenschaftlicher Akt in zwei Teilen…

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Auf der Suche nach dem “Schluckaufteilchen”… das Higgs-Boson!

Was muss passieren, dass in der Schweiz die Sektkorken knallen und Nerds sich auf der ganzen Welt froehlich stimmen? Genau, es bedarf einer wissenschaftlichen Entdeckung der Superlative die der gemeine Bildleser nicht versteht. Ein solcher Fall ist nun eingetreten und es wird also gefeiert am CERN, denn einer der Gruende fuer dessen Existenz ist nun offensichtlich eingetreten: Man hat, moeglicherweise, das Higgs-Boson gefunden! Wuuuaaaaahh… wie jetzt, keiner feiert mit? Na gut dann mal etwas Vorspiel:

Eines der fundamentalsten Probleme des so genannten Standardmodells der Physik ist die Klaerung der Frage warum etwas Masse besitzt. Wie wir hoffentlich alle wissen, sollten, bestehen wir, die Erde und das Migraenestaebchen des gemeinen Nazis aus vielen vielen Teilchen, Protonen, Neutronen, Elektronen usw. usf.. Und allen gemeinsam ist irgendwie, dass sie Masse besitzen was quasi Grund fuer die Kopfschmerzen nach einer Behandlung mit dem Migraenestaebchen ist. Nun ist das Problem aber zu erklaeren warum es Masse besitzt. Vor knapp 50 Jahren praesentierte ein junger Englaender names Peter Higgs (1964) mit dem nach ihm benannten Higgs-Feld eine Loesung fuer das Problem. Die grundlegende Idee dahinter ist, dass das Higgs-Feld den Teilchen kurz nach dem Urknall Masse verliehen hat und man als Existenzbestaetigung dieses Feldes unter bestimmten Vorraussetzungen das Higgs-Boson finden muesste. Alleine war er damit nicht, denn es gab im selben Jahr unabhaengig aehnliche Loesungsvorschlaege von Englert und Brout (1964) sowie Guralnik, Hagen und Kibble (1964). Allen gemein war allerdings, dass ihre Loesungen allesamt nicht experimentell nachweisbar waren was im positivistischen Wissenschaftsverstaendnis nicht die beste Voraussetzung fuer Glaubwuerdigkeit ist. Der damals noch junge Peter Higgs wurde dafuer auch ordentlich kritisiert, unter anderem soll Werner Heisenberg dem frischen Doktoranden vorgeschlagen haben sich noch mal mit den Grundlagen der Physik auseinander zu setzen.

Nun allerdings, 50 Jahre spaeter hat man was gefunden. Heureka! Aber moment, ich schrieb ja man hat moeglicherweise das Higgs–Boson gefunden! Nun das Problem mit dem Higgs-Boson ist, dass es extreme schwer zu finden ist. Man kann es nicht genau beobachten sondern quasi nur ueber Indizienbeweise. Diese Indizien sind laut der Theorie bestimmte, sehr kurzlebige Teilchen die nur unter bestimmten Bedingungen entstehen. Darum baute man das CERN und den dazugehoerigen Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider (LHC) um die notwendigen Energien zu erzeugen. Man schoss Teilchen mit Lichtgeschwindigkeit aufeinander um so die Energien in der Zeit des Urknalls zu simmulieren und hoffte dass innerhalb dieser Lichtblitze diese kurzlebigen vorhergesagten Teilchen aufblitzen. Das Problem daran ist, dass man eben grosse Energien dafuer braucht, deshalb ein LHC, es unheimlich schwer ist diese kurzlebigen Teilchen zu messen und das die nicht nur durch das Higgs-Boson erklaert werden koennen. Aus diesem Grund muss man erst einmal ganz viele Tests machen um ueberhaupt eine statistische Signifikanz zu erhalten die die Entdeckung von irgendwas zeigt. Erste Anzeichen dafuer, dass es sowas gibt gab es naemlich bereits letztes Jahr im Dezember (Freistetter, 2011). Das da was ist bedeutet aber noch nicht, dass es sich dabei wirklich um das Higgs-Boson handelt, zumal es neben dem Standardmodell noch ein paar andere Erklaerungsmoeglichkeiten gibt bzw. man vielleicht auch einfach auf ein vollkommen neues und anderes Teilchen gestossen sein koennte wie Gast (2012) zeigt. Die Physiker sind da also ein bisschen kleinlich aber der Leiter vom CERN Rolf-Dieter Heuer gibt sich zuversichtlich. Etwas besser beschreiben kann das sowieso der Florian Freistetter (2012a, 2012b) auf seinem Blog.

Sollte es sich also bestaetigen, dass es sich hierbei um das Higgs-Boson handelt womit eine der wichtigen Fragen im Zusammenhang mit dem Standardmodell beantwortet und gleichzeitig eine Million neuer aufgeworfen wird, so stehen wir vor eine wissenschaftlichen Sensation, eine der bedeutensten Entdeckungen der letzten Jahrzehnten. Immerhin hat Peter Higgs bei der Bekanntgabe am CERN vor ein paar Tagen die eine oder andere Traene vergossen. Und genau das ist doch ein Grund zu feiern!

Wissenschaft rockt!

Vorrausgesetzt allet stimmt und durften wir einen besonderen Moment in der Geschichte beiwohnen, das darf man so sagen. Eine Festigung des Standardmodells, welches unser Verstaendnis fuer das Universum und letzten Endes uns selbst traegt. Das ist schon spektakulaer! Gut, meine Eltern haben die Mondlandung miterlebt, etwas was irgendwie schon eindrucksvoller ist. Vielleicht werde ich mit Glueck noch den ersten Menschen auf dem Mars miterleben aber drauf wetten wuerde ich nicht! Aber ist sowas wirklich ein einzigartiger Moment in einem Leben? Die Mondlandung, die Entdeckung des Higgs-Teilchens? Oder lebe ich in einer Zeit voller cooler aber leider stiller wissenschaftlicher Entdeckungen? Gut die Frage war jetzt rhetorisch… Denn tatsaechlich passieren spannende Entdeckungen ziemlich haeufig und ich hab mir mal die Muehe gemacht zu gucken was so alles seit meiner Geburt passiert ist ohne Vollstaendigkeit zu reklamieren. Besonders die ollen Biochemiker sind da ganz fleissig gewesen.

Ich wurde also im Jahr 1984 geboren und renne somit der 30 entgegen. Im selben Jahr entwickelte Kary Mullis die so genannte Polymerase-Kettenreaktion mit dessen Hilfe man Virusinfektionen und Erbkrankheiten erkennen und Klonen von Genen machen kann. Er behauptet uebrigens, dass er ohne seine Experimente mit LSD niemals auf die Idee dazu gekommen waere. Ausserdem fanden Richard Leakey und Alan Walker den so genannten Turkana Boy, ein 1,6 Millionen Jahre altes Skelett der Gattung Homo erectus.

Ueberspringen wir ein paar eher unwichtige Entdeckungen und ein Jahr, so landen wir im Jahr 1986 in dem Karl Alexander Müller und Johannes Georg Bednorz die Supraleitung in keramischen Materialien entdeckten. Im folgenden Jahr, zeigten Rebecca L. Cann, Mark Stoneking und Allan C. Wilson anhand ihrer Arbeit mit Mitochondrien, dass wir Menschen gemeinsame Vorfahren aus Afrika haben und bestaetigte somit die Out-of-Africa-Theorie. Ausserdem explodierte im selben Jahr mit SN 1987A die der Erde am naechstgelegende Supernova in der Großen Magellanschen Wolke rund 157.000 Lichtjahre entfernt.

Ein Sprung ins Jahr 1989 in dem die NASA den Sateliten Cosmic Background Explorer ins All schickte um die kosmische Hintergrundstrahlung zu messen. Und das war natuerlich ein voller Erfolg und brachte das bekannte bunte Bild.

Im Jahr 1990 injizierte William French Anderson das erste Mal modifizierte Gene in ein vierjaehriges Maedchen um deren Immunstoerungskrankheit zu therapieren. Im selben Jahr schickten die NASA und ESA das Hubble Teleskop in den Orbit.

1991 entdeckte Sumio Iijima die Nanotubes. Diese will Michio Kaku benutzen um Lichtschwerter zu bauen.

1993 entdeckte James William Schopf in Australien das mit 3,5 Milliarden Jahren aelteste einzellige Fossil der Welt. Im selben Jahr veroeffentlicht Dean Hamer seine sehr umstrittene Theorie die besagt Homosexualitaet sei genetisch bedingt.

Nun kommt 1995, das Jahr in dem Craig Venter der/die/das Haemophilus influenzae genetisch entschluesselte, Michel Mayor und Didier Queloz konnten den ersten extrasolaren Planeten nachweisen und Eric Cornell, Carl Wieman und Wolfgang Ketterle konnten das erste Bose-Einstein-Kondensat herstellen. Und natuerlich sollte man die Entdeckung des Top-Quark im Fermilab nicht vergessen, immerhin ist das mit der Higgs-Boson-Entdeckung im Cern vergleichbar.

1997 wurde das Schaf Dolly von Ian Wilmut und Keith Campbell geklont, das erste Saeugetier was aus Zellen erwachsener Tiere geklont wurde, welches uebrigens 2003 starb. Im selben Jahr, also 1997, stellte Mercedes Benz mit dem NeBus den ersten brennstoffzellenbetriebenden Bus vor der im Stadtverkehr eingesetzt konnte.

Im Jahr 1998 stellten Gerson Goldhaber und Saul Perlmutter fest, dass sich das Universum mit zunehmender Geschwindigkeit ausbreitet. Darueber werde ich noch einmal was kleines schreiben! Und der alternden Maennerwelt wurde Viagra geschenkt.

Im Jahr 2000 zeigten sowohl Karl Gebhardt, John Kormendy und Douglas Richstone als auch Laura Ferrarese und David Merritt, dass Quasare schwarze Loecher sein koennten. Das bedeutet, dass in den Zentren aktiver Galaxien supermassive schwarze Loecher sitzen.

2001 veroeffentlichten Craig Venters Celera Corporation und das Human Genome Project die komplette Entschluesselung des menschlichen Genoms. Des Weiteren implantierten Laman Gray und Robert Dowling einem 71 jaehrigen Patienten ein kuenstliches Herz mit dem dieser 17 Monate weiter lebte, was zu einem Weltrekord wurde. Zusammen genommen ist die ganze kuenstliche Herzforschung enorm interessant. Und Apple schenkte uns das iPod, welches ich jetzt nicht verlinke weil jeder das kennt.

2002 entwickelte Manindra Agrawal eine Methode zur Erkennung ob eine Zahl eine Primzahl ist oder nicht. Sowas muss ja auch mal erwaehnt werden.

Obwohl bereits frueher erwaehnt usw., entwickelte der ungarische Architekt Aron Losonczi den ersten wirklich gut einsetzbaren transparenten Beton in 2004. Ein Traum wird wahr fuer die Spanner, baut man nun einfach Badezimmer und Duschen mit dem Lichtbeton.

2007 schaffte es James Thomson normale Hautzellen so umzuprogrammieren, dass sie wie embryonalen Stammzellen arbeiten bzw. verhalten. Wenn das mal kein Potenzial hat.

2010 meldete sich Craig Venter erneut zu Wort und meldete die Erschaffung der ersten synthetischen bakteriellen Zelle. Das wird seinem ohnehin schon grossen Ego noch mehr schmeicheln.

Ja und nun, 2012, stehen wir von einer neuen Entdeckung. Es wird also nie langweilig und was ich bisher ausgelassen habe kann man unter anderem noch bei sciencetimeline (n.d.) nachlesen. Damit war ich ja bei einigen aufregenden Sachen Zeitzeuge.

Quellen:

Englert, F., & Brout, R. (1964). Broken symmetry and the mass of gauge vector mesons. Physical Review Letters, 13(9), 321-323.

Freistetter, F. (2011, December 13.). Die suche nach dem higgs-teilchen endet 2012 [web log post]. Retrieved from http://www.scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2011/12/die-suche-nach-dem-higgsteilchen-endet-2012.php

Freistetter, F. (2012a, July 4.). Hat man das higgs-teilchen jetzt entdeckt? Oder nicht? Oder was? [web log post]. Retrieved from http://www.scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2012/07/hat-man-das-higgs-jetzt-entdeckt-oder-was.php

Freistetter, F. (2012b, July 2.). Ist das higgs-teilchen endlich entdeckt worden? [web log post]. Retrieved from http://www.scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2012/07/ist-das-higgs-teilchen-endlich-entdeckt-worden.php

Gast, R. (2012). Entdeckung der higgs-hype vertuscht die wahrheit. Retrieved July 9., 2012, from http://www.zeit.de/wissen/2012-07/higgs-teilchen-cern-kommentar

Guralnik, G., Hagen, C., & Kibble, T. (1964). Global conservation laws and massless particles. Physical Review Letters, 13(20), 585-587.

Higgs, P. W. (1964). Broken symmetries and the masses of gauge bosons. Physical Review Letters, 13(16), 508-509.

sciencetimeline. (n.d.). Marks in the evolution of western thinking about nature. Retrieved July 9., 2012, from www.sciencetimeline.net

Hola señor: Keynes zu Besuch in Peru?

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Eine der zentralen Thesen von Lord Keynes, und das unterscheidet ihn von den klassischen Oekonomen seiner Zeit, war die Auffassung dass die positive Entwicklung eines Landes und seiner Marktwirtschaft nicht allein durch die selbstregulierenden Mechanismen von Angebot und Nachfrage gesteuert werden kann, sondern dass Papa Staat durchaus in schlechten Zeiten eingreifen muss um ein wenig Kohle in den Ofen zu schippen. Hinzu kommt noch das Konzept des Keynesian Multipliers der aehnlich funktioniert wie ein Zins. Sprich, wenn Papa Staat eine Investition in ein Projekt steckt und so z.B. eine Firma beauftragt eine 13-spurige Autobahn zu bauen so erhalten die Angestellten einen Lohn den sie, abzueglich ihres Sparwillens, woanders ausgeben was wiederum bedeutet jemand anderes kann bezahlt werden und der dann ebenso konsumieren geht usw. usf.. Obwohl diese Thesen bereits seinerzeit stark kritisiert wurden, unter anderem durch von Hayek[1], erfreuten sie sich seitdem immer einer gewissen Beliebtheit unter Politikern in wirtschaftspolitischen Fragen. Wenn also ein Staat mal wieder irgendwo massig Kohle ausgibt um die Wirtschaft anzukurbeln steckt ein bisschen Keynes da drin.

Allerdings, wie von von Hayek bspw. argumentiert, ist nicht jede Staatsinvestition trotz guten Willens wirklich sinnvoll und es gibt einen Haufen Literatur die anzweifelt dass der Multiplier wirklich signifikant ist. Ein solcher Fall laesst sich jetzt offensichtlich in Peru beobachten. Peru nahm am One Laptop per Child Programm teil, eines der groessten Bildungsprogramme der Welt welches von Nicholas Negroponte ins Leben gerufen wurde und mehr als 2,5 Millionen XO Laptops, Stueckpreis US$200, weltweit an Schulen verteilt hat. Peru gehoert nun neben Laendern wie Venezuela, Argentinien oder Aethopien zu den Teilnehmern an diesem Programm und investierte in 2008 gut 200 Millionen US$ um die Laptops an Schulen um durch Bildung den Kampf gegen Armut aufzunehmen.

Vor kurzem veroeffentlichte jetzt die Inter-American Development Bank eine Studie (Crista, Ibarrarán, Cueto, Santiago & Severín, 2012) in denen die Effekte des Programms in 319 Schulen im laendlichen Peru untersucht wurden. Leider kam die Studie zu keinem besonders positiven Schluss. Zwar wurden positive Effekte auf die kognitiven Fertigkeiten der Kinder gemessen, jedoch gab es kaum oder keine Fortschritte beim Lernen von Mathematik, Sprachen, Hausaufgabenbewaeltigung usw.. Das quasi vernichtende Urteil findet sich bereits in der Einleitung: “Nonetheless, there is little solid evidence regarding the effectiveness of this program” (Crista et al., 2012, p. 2). Den Grund sieht die Studie vor allem darin, dass die betroffenen Lehrkraefte nicht gut genug ausgebildet sind um die Schueler mit der neuen Technologie vertraut zu machen, zum Teil fehlender Strom um die Dinger am laufen zu lassen sowie fehlende Instandhaltungsarbeiten der Software (Bajak, 2012). Im Gegenzug dazu verweisst Bajak (2012) auf eine Studie aus Groningen[2] die zeigt, dass in Aethopien die Lehrkraefte entsprechend ausgebildet wurden und das Programm wesentlich mehr Erfolg hatte.

Investitionen in den Bildungssektor sind immer langfristig zu betrachten, ob sich die Investitionen in die XO-Laptops wirklich auszahlt und die Armut bekaempfen kann wird wohl erst in 10 bis 20 Jahren sagen koennen. Ob und wie weit ersters letzteres beeinflusst ist aufgrund der Vielfahlt von Einflussfaktoren schwer zu sagen. Jedoch wird ein etwaiger Keynsian Multiplier-Effekt, falls er denn existieren sollte, schon im Vornherein durch falsche Planungen zunichte gemacht werden und Peru haette fuer seine Verhaeltnisse einen Haufen Geld umsonst ausgegeben. Da hatte von Hayek schon eher recht mit seiner Forderung nach wohlueberlegten Investitionen. Dennoch bleibt noch genuegend Zeit zur Anpassung, sprich Schulung der Lehrkraefte usw., um der Fehlentscheidung entgegen zu wirken. Denn schlussendlich ist das gesammte Programm, nicht nur fuer Peru, der richtige Weg.

[1]: Beide fuehrten eine rege Auseinandersetzung ueber ihre Veroeffentlichungen. Ausfuehrliches dazu bei einer Debatte der London School of Ecnomics

[2]: Konnte ich leider nicht finden

Quellen:

Bajak, F. (2012, July 3). Peru’s ambitious laptop program gets mixed grades. The Herald Online, Retrieved from http://www.heraldonline.com/2012/07/03/4088608/perus-ambitious-laptop-program.html

Crista, J.P., Ibarrarán, P., Cueto, S., Santiago, A. & Severín, E. (2012). Technology and child development: Evidence from the one laptop per child program. Inter-American Development Bank, Department of Research and Chief Economist, Retrieved from http://idbdocs.iadb.org/wsdocs/getdocument.aspx?docnum=36706954

TerminatorNutten in Amsterdam!

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Ich muss gestehen, der Titel dieses Blogbeitrags mag etwas provozierend sein, ein absichtlicher Hauch von Bildzeitung, aber es hat einen verstaendlichen Hintergrund und es lohnt sich daher weiterzulesen. Wenn mich in Zukunft jemand nach der Universitaets- und Forschungskultur in Neuseeland fragen sollte, werde ich auf den Artikel von Ian Yeoman und Michelle Mars von der Victoria University of Wellington verweisen der meines erachtens gleichermassen interessant wie witzig ist und die Frage aufwirft wie ernst sich Wissenschaftler selbst nehmen. Der Titel des Artikels lautet “Robots, men and sex tourism” (Yeoman & Mars, 2012) und ist eine Zukunftsprognose ueber, ja, Sextourismus in Amsterdam im Zusammenhang mit der Entwicklung in der Robotik.

Nach der Aussage der Wissenschaflter werden so genannte Prostibots so um 2050 ihre menschlichen Konkurrentinnen vom Markt verdraengt haben. Die Vorteile sehen Yeoman und Mars (2012) in folgenden Punkten:

“[…] android prostitutes who are clean of sexual transmitted infections (STIs), not smuggled in from Eastern Europe and forced into slavery, the city council will have direct control over android sex workers controlling prices, hours of operations and sexual services” (p. 365).

Das sind in der Tat interessante soziale Probleme die sich aus der derzeitigen Prostitution ergeben. Nun, warum haben die Wissenschaftler Amsterdam, und nicht Hamburg ausgewaehlt? Der Grund liegt in der, ihrer Meinung nach, langen Geschichte der Stadt im Bezug auf Prostitution, wie 1413 seitens des Staedterats wie folgt beschrieben:

“Because whores are necessary in big cities and especially in cities of commerce such as ours – indeed it is far better to have these women than not to have them – and also because the holy church tolerates whores on good grounds, for these reasons the court and sheriff of Amsterdam shall not entirely forbid the keeping of brothels” (Brants, 1998, p. 622).

Yeoman und Mars (2012) sehen acht Ursachen fuer diese moegliche Entwicklung hin zum Prostibot, namentlich:

  • Der Wachstum der Sexindustrie
  • Die Frage warum Maenner fuer Sex bezahlen
  • Schoenheitsideale
  • Menschenhandel
  • Sexuell uebertragbare Krankheiten, zum Teil unheilbar4
  • Die Erweiterung/Verbesserung des Erlebnisses durch Sextoys
  • Die steigende emotionale Bindung zur Maschine
  • Das Image Amsterdams als Sextourismusziel

(p. 367)

Basierend auf diesen Punkten, die einzelnen Erlaeuterungen dazu ersparr ich mir jetzt einmal, entwickeln Yeoman und Mars (2012) ein Zukunftsszenario ueber den perfekten Sex, den sie wie folgt beschreiben:

“The Yub-Yum is Amsterdam’s top sex club for business travellers located beside a 17th century canal house on the Singel. It is modern and gleaming with about 100 scantily clad blonde and brunettes parading around in exotic G-strings and lingerie. Entry costs s10,000 for an all inclusive service. The club offers a full range of sexual services from massages, lap dancing and intercourse in plush surroundings. The Yub-Yum is a unique bordello licensed by the city council, staffed not by humans but by androids. This situation came about due to an increase in human trafficking in the sex industry in the 2040s which was becoming unsustainable, combined with an increase in incurable STI’s in the city especially HIV which over the last decade has mutated and is resistant to many vaccines and preventive medicines. Amsterdam’s tourist industry is built on an image of sex and drugs. The council was worried that if the red light district were to close, it would have a detrimental effect on the city’s brand and tourism industry, as it seemed unimaginable for the city not to have a sex industry. Sex tourism is a key driver for stag parties and the convention industry. The Yub-Yum offers a range of sexual gods and goddesses of different ethnicities, body shapes, ages, languages and sexual features. The club is often rated highly by punters on http://www.punternet.com and for the fifth year in a row, in 2049 was voted the world’s best massage parlour by the UN World Tourism Organisation. The club has won numerous technology and innovation awards including the prestigious ISO iRobotSEX award. The most popular model is Irina, a tall, blonde, Russian exotic species who is popular with Middle Eastern businessmen. The tourists who use the services of Yub-Yum are guaranteed a wonderful and thrilling experience, as all the androids are programmed to perform every service and satisfy every desire. All androids are made of bacteria resistant fibre and are flushed for human fluids, therefore guaranteeing no Sexual Transmitted Disease’s are transferred between consumers. The impact of Yub-Yum club and similar establishments in Amsterdam has transformed the sex industry alleviating all health and human trafficking problems. The only social issues surrounding the club is the resistance from human sex workers who say they can’t compete on price and quality, therefore forcing many of them to close their shop windows. All in all, the regeneration of Amsterdam’s sex industry has been about the success of the new breed of sex worker. Even clients feel guilt free as they actually haven’t had sex with a real person and therefore don’t have to lie to their partner” (p. 367).

Die Frage ist natuerlich, ob sich so eine Entwicklung einstellen kann. Yeoman und Mars (2012) sagen klar ja, denn immerhin ist die Einbindung von Technologie in unseren Altag ein beobachtbares Phaenomen und im Bezug auf die Prostibots nicht anders als vergleichsweise ein Iphone, das uns Mobilitaet und Konnektivitaet garantiert. In ihrem Schlusssatz sagen sie daher:

“In a liminal paradigm in which we are cyborg creatures, intimately linked with technology on a daily basis it is likely that sexual pleasure and sexual healing will become integral to our leisure experience. Robot sex is safer sex, free from the constraints, precautions and uncertainties of the real deal, but regardless of how good the sex is, will we always continue to think of it as something less than fully human” (Yeoman & Mars, 2012, p. 370).

Na dann mal frohes Poppen!

Quellen:

Brants, C. (1998). The fine art of regulated tolerance: Prostitution in Amsterdam. Journal of Law and Society, 25(4), 621–35

Yeoman, I., & Mars, M. (2012). Robots, men and sex tourism. Futures, 44, 365–371